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Der fromme Wunsch

Haben sie einen Wunschzettel geschrieben? Oder gehören Sie zu denen, die sich weder etwas wünschen noch etwas schenken und dann überrascht sind, wenn doch ein Päckchen auf Sie wartet? Mein Eindruck ist, dass viele Bäcker sich vor allem eines wünschen: „Hätte ich doch nur etwas mehr Zeit!“ Uli Wickert, langjähriger Moderator der Tagesthemen, verabschiedete seine Zuschauer regelmäßig in eine geruhsame Nacht. Dabei sind die Nächte in der Backstube wenig geruhsam. Sollte dem doch so sein, so empfehle ich, schnellstens einen Blick in die BWA zu werfen, die Sie vom Steuerberater bekommen haben, und entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten. Sonst kann es schnell noch geruhsamer werden. Aber das ist ein anderes Thema. Mir geht es darum: Offensichtlich war es nicht die Absicht des Moderators, auch Bäcker anzusprechen. Sind wir Bäcker also fester Bestandteil der breiten Gesellschaft, oder stehen wir doch etwas außen vor? Wie ist das mit den traditionellen Arbeitszeiten in der Backstube? Wenn Familie und Freunde abends weggehen wollen oder am Wochenende einen Ausflug planen? Klar, als Bäcker arbeitet man meistens nachts. Doch muss das so sein und bleiben, nur weil es immer so war? Viele Neueröffnungen im Bäckerhandwerk geben ein deutliches „Nein“ zur Antwort. So fällt es ihnen leicht, neue Dinge durchzusetzen. Aber auf dem Land erst um zehn Uhr öffnen? Das würde wohl nach hinten losgehen. Man muss es ja nicht gleich auf die Spitze treiben. Vielleicht reicht es, die Produktion zu verändern. Noch Mitte der 80er- Jahre des vergangenen Jahrhunderts – und das ist gar nicht so lange her, wie es hier jetzt klingt – war es üblich, die Brötchenteige direkt zu führen und dann in der Produktion abzubacken. Der überwiegende Teil der Bäcker dürfte die Brötchenteiglinge inzwischen jedoch über eine Gärverzögerung konditionieren. Das bringt nicht nur ein Plus an Geschmack und Aroma. Es bedeutet auch schlicht etwas mehr Zeit am Morgen. Aber wem erzähle ich das! Der Punkt ist: In Sachen Brötchen hat sich viel verändert in den letzten Jahren. Warum probieren wir das nicht auch beim Brot? Nicht sofort das gesamte Sortiment. Aber Stück für Stück. Das kostet viel Kraft und Geld, das ist mir schon bewusst. Aber wissen Sie, was noch schwieriger wird: Weiterhin Mitarbeitende zu finden, die bereit sind, sich Nächte und Wochenenden um die Ohren zu schlagen. Und das alles für einen – seien wir ehrlich – häufig nicht überragenden Stundenlohn. Selbst, wenn Sie sich persönlich damit arrangiert haben, abendliche Besuche bei Freunden früher zu verlassen, weil ja schon bald der Wecker klingelt: Die Generation, die wir jetzt für das Bäckerhandwerk gewinnen müssen, wird uns diesen Gefallen wohl nicht mehr unbedingt tun. Wir müssen die Arbeitszeiten in unserem wundervollen Handwerk attraktiver machen, um von potenziellen Auszubildenden überhaupt wieder ernst- und wahrgenommen zu werden. Und halten Sie sich fest: Bäcker, die sich in diese Richtung aufgemacht haben, berichten, dass nicht nur die Azubis davon profitieren, sondern alle anderen auch – inklusive der Unternehmer! Sich zu Weihnachten mehr Zeit für seine Lieben zu wünschen, ist bestimmt ein guter Gedanke. Aber ohne Ideen, wie das geschehen soll, bleibt er nicht mehr als ein frommer Wunsch. Jetzt geht es darum, Taten folgen zu lassen. Sie kriegen das hin, da bin ich zuversichtlich!