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Transparenz

Ich bin seit 30 Jahren publizistisch im deutschen Bäckerhandwerk tätig und darf Ihnen sagen: Ich möchte keinen Tag vermissen. Ich freue mich, mit Bäckern und Bäckerinnen zu reden, erfolgreiche Betriebe zu besuchen und zu sehen, wie stolz jene auf ihr Lebenswerk sind. Und zwar zu recht! Alle zwei Jahre frage ich mich nach unserem Marktkieker: Was kann diesem Bäckerhandwerk in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit diesen tollen Unternehmerfamilien bedrohlich werden? Eigentlich nichts! Selbst Corona wird ihnen nicht das Handwerk legen. Ich bin stolz darauf, über das Bäckerhandwerk und seine Vitalität schreiben zu dürfen.

Leider ist es aber auch so, daß ich manchmal über Dinge schreiben muß, die nicht so toll laufen. Das ist umso schwerer, weil man manchmal Menschen, die man gut leiden kann, sogar mag und mit denen man in verschiedenen Jurys gut zusammen arbeitet, schwierige Zeiten bereitet – das geht auch an einem Verleger nicht spurlos vorbei und bereitet ihm schlaflose Nächte!

Natürlich ist es unangenehm, in schwierigen Zeiten zusätzlich Staub aufzuwirbeln. Aber sollten wir jetzt nicht mehr kritisch hinterfragen? Es darf nicht sein, daß Beiträge, die Bäcker bezahlen, entgegen der Satzung verwendet werden (siehe Förderungswerk). Es braucht Transparenz (siehe Einnahmen des ZV aus der iba – hier stehen wohl einige Millionen zur Verfügung). Man sollte schon wissen, wie reich man ist, wofür das Geld ausgegeben wird und vor allem wer darüber entscheidet! Wir leben nicht mehr in den 50er-Jahren, in denen man vielleicht meinte, daß Transparenz nur Begehrlichkeiten weckt und der „einfache Bäcker“ das alles sowieso nicht versteht. Das ist respektlos. Ich darf Ihnen sagen, daß die letzten Wochen für mich sehr beeindruckend waren. Auf der einen Seite Leser, die mir schrieben: „wir brauchen Ihre Stimme“, auf der anderen Seite Bäckerfunktionäre, die mir unterstellten, ich wolle mit dieser Transparenzforderung dem Bäckerhandwerk nachhaltig schaden.

Mein Artikel zum Förderungswerk hat eine Menge „Strandgut“ angespült, das deutlich macht, daß wir mehr Transparenz brauchen! Bäcker fragen sich: „Warum soll ich mich in Organisationen engagieren? Das ist scheinbar eh ein Auslaufmodell ohne Geld und Macht.“ Es treten immer mehr große Bäckereien aus ihren Innungen aus. Immerhin 40 Prozent der Betriebe mit 60 Prozent des Gesamtumsatzes sind nicht mehr organisiert!

Der Zentralverband hat in den letzten Jahrzehnten dafür gesorgt, daß er finanziell stabil dasteht – anders als mancher Landesinnungsverband. Die iba ist Eigentum des Zentralverbands und international sehr erfolgreich. Die Werbegemeinschaft hat sich „aufgerappelt“ und ist heute besser dran und drauf als vor zwanzig Jahren, als man mit dem Geld der Werbegemeinschaft Kartenspiele und Flaschenöffner produzierte, weil man einfach keinen Plan hatte, was man damit anstellen sollte. Unser Verlag hat mit der Werbegemeinschaft „Die Nacht des Backens“ zum Leben erweckt und wir haben diese Veranstaltung zusammen zweimal sehr erfolgreich durchgeführt. Wir hatten aber auch das Gefühl, daß man froh war, das da jemand mit einer guten Idee an einen herantrat – und man das Geld sinnvoll ausgeben konnte – natürlich auch mit der finanziellen Unterstützung der Bäko und unseres Verlages. Der von uns allen geschätzte Kollege Günter Wohlers hat mir mal an meinem Küchentisch in Osnabrück gestanden, daß er zwei Ideen unserer Verlagsgesellschaft für „Mastermind“ hielt, das war zum einen „Slow Baking“ und zum anderen „Die Nacht des Backens“. Nun muß man wissen, daß der Kollege Wohlers auch nicht ohne war – ohne ihn gäbe es keinen Marktkieker und keinen Bäko Workshop – hier war er der Erfinder!

Falls es nun so sein sollte, daß der Zentralverband zwar Geld hat, aber vielleicht zu wenig Ideen, wie es für das Bäckerhandwerk eingesetzt werden soll, wäre das eine Situation mit Perspektive! In diesem Fall könnten BäckerunternehmerInnen sich einbringen – mit Ideen, Power und ihrer Vernetzung! Eben jene erleben aber gerade, wie unbeweglich und ungeschickt die Vertreter ihres Handwerks agieren. Die Funktionärskollegen und ganz wenige Kolleginnen bleiben gerne unter sich, man kennt sich, keiner tut einem weh und alles wird gut!?

Ich denke nicht! 

Mangelt es nun an Ideen mag das auch daran liegen, daß unsere Bäckerfunktionäre neben ihren Jobs in Landesinnungsverbänden, Bäkos, Werbegemeinschaft, politische Aktivitäten etc. eine seltsame Ämterhäufung aufweisen. Zeit ist nicht vermehrbar. Da kommt eben manches zu kurz! Von der angekündigten Strukturreform des ZV ist nichts realisiert worden, viel eher igelt man sich ein. Dazu paßt, daß die Funktionäre des ZV in Berlin die Fachpresse wie die Pest meiden. Übrigens haben wir bis heute nicht verstanden, warum wir den Newsletter vom Zentralverband nicht lesen dürfen …

Es gibt im Bäckerhandwerk eine ganze Menge vorbildlicher Betriebe. Der Zentralverband sollte eine Denkfabrik eröffnen, in der sich zehn bis 20 sehr erfolgreiche kleine und große BäckerInnen treffen, die keine Funktion in den Verbänden haben (und damit auch mehr Zeit), und die sich überlegen, welche Ideen dem Handwerk nutzen.

Und hier gehe ich direkt einmal in Vorlage! Nach unserem Bericht zum Förderungswerk hat mich ein ehemaliges Präsidiumsmitglied und LIV-Vorsitzender gefragt, was ich denn anders machen würde?

In aller Klarheit möchte ich auch schreiben, daß wir uns überall im Bäckerhandwerk ehrlicher und transparenter darstellen müssen! Sie glauben nicht, was ein Verleger sich von seinen Gästen so anhören darf: Tütenbäcker ist da noch das netteste! Dazu kommen Teiglinge aus China und mehr Vorurteile aus der Publikumspresse… Sie dürfen sich vorstellen, wie mir das auf den Geist geht! Es braucht eine klare Positionierung zum Thema 100-Prozenter Backmittel und zugekauften Teiglingen! Das Bäckerhandwerk muß definieren, was Handwerksbacken ausmacht!

Wir waren mit unserer Redaktion in allen Betrieben der Mitglieder des Präsidiums des ZV im Rahmen von Betriebsreportagen. Keiner von ihnen setzt zugekaufte Teiglinge ein (haben sie uns zumindest erzählt) und auch keine 100-Prozenter. Das hindert die Kollegen in ihrer Funktion aber nicht, Unternehmen, die das anbieten, als Fördermitglieder des ZV aufzunehmen. Das ist keine gute Idee. Unser Verlag ist seit 20 Jahren der Ansicht, daß jeder Bäcker, der zugekaufte Teiglinge einsetzt, diese auch deklarieren soll, mit Hersteller, Produktionsland und Herstelldatum.

Damit wir uns klar verstehen: Backmittel sind sinnvolle Helfer, aber dank der katastrophalen Kommunikationssarbeit des „Backzutatenverbands“, aber auch des Zentralverbandes verstehen immer noch zu wenig Verbraucher den Unterschied von „Zutat“ zu „Tütenbäcker“! Da hat auch die Umbenennung von „Backmittel-“ zum „Backzutatenverband“ nicht geholfen. Die Verbraucher wollen ursprüngliche Produkte mit eigenem Charakter und Geschmack! Und Authentizität! Und das meint laut Google Echtheit, Glaubwürdigkeit, Transparenz, Loyalität, Integrität, Offenheit und Wahrhaftigkeit!

Sauerteigbrotbäcker und Slow Baker gründen sich neu und stehen für die „Entrepreneur Bewegung“ im deutschen Bäcker Handwerk – also gibt es eine Chance! Ehrlichkeit ist der Anfang von Allem – Es darf keine „Hinterzimmermentalität“ mehr geben. Brechen wir gemeinsam auf, dieses deutsche Bäckerhandwerk mit Ideen und Transparenz zu stärken – ich freue mich darauf!

Glück auf aus Bochum!

Ihr Trond Patzphal

Ich freue mich auf Ihre Briefe und Mails. Schreiben Sie mir unter patzphal@ingerverlag.de [1].