Fair und transparent

Fair und transparent

21.05.2022 | Christian Bremicker

Es ist schon ein paar Jahre her, da warb Aldi mit dem einprägsamen Slogan: „Qualität ganz oben, Preis ganz unten.“ Heute könnte man das etwas umformulieren: „Mindestlohn ganz oben, Preis krisenbedingt angepasst.“ Die höheren Preise gingen schon durch Presse, berühren uns Bäcker allerdings nur wenig. Beim Mindestlohn sieht das ganz anders aus. Die zwölf Euro, die man sich nun in Berlin ausgedacht hat, haben es schon in sich. Aber die 14 Euro, die nun aus der Essener Firmenzentrale von Aldi und auch vom Discount-Konkurrenten Lidl angekündigt wurden, sind brutal. Dabei galt die erste Assoziation, die man mit den Discountern hat, nämlich „billig, billig“, noch nie wirklich für das Personal. Weihnachts- und Urlaubsgeld gehören genauso zum Aldi-Arbeitsvertrag wie das dreizehnte Monatsgehalt und viele weitere Ideen, um Aldi als Arbeitgeber attraktiv zu machen. Dieses Bemühen zeigt eins ganz deutlich: Aldi hat schon lange erkannt, dass man in das Personal investieren muss, wenn man welches bekommen und halten will. Das erschwert die Situation für alle, die auch auf Personalsuche sind. Darüber kann man sich ärgern, man kann deswegen auf den billigen Supermarkt schimpfen, aber letztlich nutzt es nichts. Der andere große Discounter, Lidl (Schwarz-Gruppe), hat sich einige Zeit bedeckt gehalten bezüglich eines 14 Euro-Mindestlohns, aber nun wird er in dieser Sache genauso nachziehen, wie sonst bei den Butterpreisen. Während der Mindestlohn von zwölf Euro das Auskommen der Mitarbeiter sichern soll, geht es beim Aldi-Mindestlohn zusätzlich darum, Mitarbeiter anzuwerben, die bisher woanders ihre Brötchen verdienen. Es geht darum, ein Zeichen zu setzen und möglichst plakativ darzustellen, dass es jawohl am besten ist, beim Discounter anzufangen. Das soll auch der letzte Depp verstehen.

In einen Lohn-Wettbewerb einzusteigen, klingt zunächst wenig aussichtsreich. Aber welche Wahl soll den Bäckern bleiben? Wer eine Bäckerei betreibt, braucht fähige Mitarbeiter – am besten in ausreichender Anzahl. Deswegen gehe ich davon aus, dass in Zukunft den Mitarbeitern in unseren Bäckereien deutlich mehr gezahlt werden muss. Die Frage ist nicht, ob das passiert, sondern „lediglich“, wie wir das bezahlen sollen. Die Antwort ist so simpel wie naheliegend: über höhere Preise und vor allem über eine wertschätzende(re) Behandlung unserer Mitarbeiter! Die Preisanpassungen, bei denen es sich selbstverständlich um waschechte Preiserhöhungen handelt, müssen gegenüber dem Kunden offen und transparent kommuniziert werden. „Lohnkosten steigen um soundso viel Euro, deswegen müssen wir unsere Preise entsprechend erhöhen.“ Ein interessantes Beispiel dafür, wie es gemacht werden könnte, gibt unsere Reportage bei der Bäckerei Biokaiser ab Seite 28 in diesem DBZ Magazin. Das schafft Vertrauen und Verständnis. Langfristig vielleicht auch eine Abkehr von der sogenannten Geiz-ist-geil-Mentalität, die bei uns Deutschen so verbreitet zu sein schein. Ja, das ist ein dickes Brett, aber unsere Mitarbeiter (und wir Bäcker) machen gute Arbeit, die angemessen bezahlt werden muss. Die andere Seite ist die Behandlung unseres Teams. Ein Beispiel: Bei Aldi spielt die minutengenaue Abrechnung eine wichtige Rolle. Die Arbeitszeit, also letztlich die Bezahlung, startet mit dem Einstempeln, nicht mit der Öffnung der Ladentüre. Ich weiß nichts Genaues, aber es soll tatsächlich noch ein paar schwarze Schafe unter den sonst so weißen Bäckerschiffchen geben, die das mit der minutengenauen Abrechnung der Arbeitszeit nicht so genau nehmen. Das war vielleicht früher mal üblich. Heute nicht mehr. Doch bevor Sie jetzt erbost unser schönes Magazin an die Wand werfen, machen Sie sich klar, dass es keine direkten Konsequenzen für Sie hat, wenn ich Ihnen das sage. Anders sieht es aus, wenn Ihre Mitarbeiter auf diesen Trichter kommen. Genau daran arbeiten Aldi und Lidl mit dem 14 Euro Stundenlohn. Seien Sie fair zu Ihren Mitarbeitern und transparent gegenüber Ihren Kunden. Das dürfte Aldi nicht schmecken.


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