Gold-braun gebacken

Gold-braun gebacken

14.10.2023 | Christian Bremicker

Am Wochenende war es soweit: ein Ausflug mit der Familie zum Pflanzen- und Bauernmarkt in der Nachbarstadt. Wie nicht anders zu erwarten, gab es zwar jede Menge Botanik käuflich zu erwerben, aber keinen einzigen Bauern. So, der erste Kalauer wäre gesetzt. Ansonsten gab es wenig zu lachen zwischen all den Ständen und Buden. Es war fast erschreckend, was dort alles feilgeboten wurde. Zunächst fielen mir mittelgroße Steine in allen Formen auf, die mit lieblichen Sprüchen versehen waren. Fast so, als hätte Obelix, der alte gallische Hinkelsteinfabrikant, Hammer und Meißel zur Hand genommen, um seine schweren Erzeugnisse mit alltäglichen Kalendersprüchen zu schmücken. Allerdings wurde hier nicht kunstfertig gemeißelt. Im Gegenteil: Es wurde gekritzelt – und würden Sie meine Handschrift kennen, wüssten Sie, dass ich Kritzeleien erkenne, wenn ich sie sehe. Zudem wurde mit dickem Filzstift gekritzelt. Selbst die Frau, die hinter eben jenen bekritzelten Steinen ihr Dasein fristete, schien sich gut vorstellen zu können, zum Softeisstand gegenüber zu wechseln. Jedenfalls deuteten einige verstohlene Blicke darauf hin. Vielleicht waren ihr aber auch nur, so wie mir, die wohlklingenden Adjektive aufgefallen, mit denen das softe Eis beworben wurde. In großen Lettern stand da: „Softeis – frisch und lecker!“ Ich stelle mir schon die Frage, wie ein Softeis sonst hätte sein können, wenn nicht, frisch und lecker? Etwa alt und abstoßend? Außerdem verwendete die Eisverkäuferin für die vermeintliche Schokoglasur ganz klar lediglich eine Fettglasur. Das hätte ich mich in der Backstube einmal trauen sollen – wenn Schoko draufsteht, gehört auch nur Schokolade rein. Das bringt mich zu einem anderen Aussteller: der Holzofenbäcker. Um ihn und seinen Ofen hatte sich eine Traube von Menschen gebildet, die ihn dabei beobachtete, wie er sein Backwerk aus dem Ofen zog. In Windeseile waren alle Exemplare verkauft. Schlichtes Weizenmischbrot, hübsch aufgerissen, zu je 750 Gramm. Kein Hexenwerk, aber den Umstehenden immerhin sechs Euro pro Stück wert! Nachdem ich mir klargemacht hatte, dass das unglaubliche zwölf Mark sind, ließ ich diesen Bäcker mit dem offensichtlich guten Geschäftssinn nicht mehr aus den Augen. Und dann passierte etwas, neben dem die Softeisverkäuferin mit ihrer Fettglasur wie ein Engel erschien: Der Bäcker beschickte seinen Ofen. Klingt wenig aufregend? Aber er beschickte ihn mit vorgebackenen Teiglingen! Hier davon zu sprechen, er würde im Holzofen backen, erschien mir spontan etwas übertrieben, wenn nicht gar schlichtweg falsch. Eher war es eine Art holzbefeuertes Solarium, das den etwas zu hellen Weizenmischbroten (zu sechs Euro!) zu der gewünschten, gold-braunen Färbung verhalf. Doch zum meinerseits erwarteten Aufschrei jeglicher Besucher des Pflanzen- und Bauernmarktes kam es nicht. Stattdessen fanden die gut gebräunten Brote nach kurzer Zeit im Ofen wieder reißenden Absatz. Grundsätzlich ist es wohl keine schlechte Idee, die Brote in der heimischen Backstube vorzuproduzieren, möglichst hell abzubacken und dann vor Ort im Holzofen lediglich nachzubräunen. Die Anwesenden, abgesehen von mir, hat es nicht gestört, und nachdem ich mein anfängliches Entsetzen überwunden hatte, musste ich zugeben, dass man es sich nicht immer unnötig schwer machen muss, wenn es auch ganz leichte Lösungen gibt. Ich habe aber trotzdem kein Brot gekauft. Bleiben Sie zuversichtlich.


Kommentare |