Inflation der anderen Art

Inflation der anderen Art

16.05.2022 | Kristina Bomm

Direct Trade ist der Begriff der Stunde. Fast schon inflationär wird er verwendet und ist leider in vielen Fällen wenig aussagekräftig. Wer sich näher damit befasst, merkt schnell: Rechtlich geschützt ist diese Bezeichnung nicht. Ganz im Gegenteil. Direct Trade lässt viel Raum für Interpretation. Sehr viel Raum. Beispiel: Ein Röster bezieht sei- ne Bohnen von einer Kaffeefarm, ganz ohne Zwischenhändler, also nennt er es Direct Trade. Wenn aber mehrere Stationen zwischen ihn und den Kaffeefarmer geschaltet sind, darf er es trotzdem Direct Trade nennen. Reine Ermessenssache. Bei meiner Suche nach Antworten stellte ein Kaffeeexperte seine rhetorischen Fragen an mich: „Ist es nur direkter Handel, wenn derjenige, der den Kaffee röstet, dem Bauern selbst auch das Geld in die Hand drückt? Und was, wenn sich Röster zu Einkaufsgemeinschaften zusammentun – ist dann nur derjenige, der die Überweisung an die Farm tätigt, direkter Händler?“ Spätestens hier wurde mir klar: Direkten Handel zu definieren, ist gar nicht so einfach. Vielleicht ist das auch gar nicht notwendig. Ziehen wir den Vergleich zu einem der prominentesten Begriffe der letzten Zeit: Nachhaltigkeit. Funktioniert klasse als Verkaufsargument. Allerdings steht zu befürchten, dass der Verbraucher die Nebelkerze irgendwann erkennt und die Bezeichnung ihren Zauber verliert. Da wäre es schade, wenn Direct Trade ähnlich verwässert. Denn der Gedanke an sich und die Ursprünge der Herangehensweise sind mehr als löblich, bei den Erzeugern soll mehr hängen bleiben und ein faires Mitei- nander entstehen. Ansinnen, die wohl viele Spezialitätenröster höher halten als der LEH.


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