„Kirchturmdenken“ mal anders

„Kirchturmdenken“ mal anders

12.09.2019 | Stefan Schütter

Handwerkliche Bäckereien sind in Deutschland schon seit Jahrzehnten für die Grundversorgung der Bevölkerung mit Backwaren verzichtbar geworden. Stattdessen bieten sie ihren Kunden mit Premiumgebäcken aber längst erfolgreich den bezahlbaren Luxus von kleinen Genussmomenten. Doch inzwischen kommt noch ein neuer wichtiger Aspekt hinzu. Viele Leute beschleicht aufgrund der immer globalisierter werdenden Welt ein mulmiges Gefühl und sie verspüren eine Sehnsucht nach „Heimat“. Das hat nichts mit stumpfem Nationalismus zu tun, sondern ist der Wunsch nach einer Wohlfühlumgebung zu Hause. Diese liefern kleinere Bäckereien, die etwa in ihren Filialen die regionale Karte spielen, mit Zutaten aus der Region oder Ladeneinrichtungen und Verkaufsbezeichnungen, die sich auf die Region beziehen, bis hin zum wortwörtlichen Heimatbrot, das die Bäckerei Fickenscher (siehe Reportage in diesem Heft) entwickelt hat. Ergänzend dazu gibt es Betriebsneugründungen, die gezielt ganz lokal auf ihren Kiez oder ihr Viertel ausgerichtet sind. Sie haben oft, wie früher, nur ein überschaubares Sortiment. Dieses hat aber häufig eine besondere Qualität, daher fahren Leute auch kilometerweit, um gezielt dort einzukaufen. So finden einige Handwerksbäcker den Weg zurück zum Ursprung ihres Berufes, denn früher war es ganz normal, dass es in jeder Stadt unzählige Bäckereien gab, die jeweils nur ihr Viertel mit einer überschaubaren Gebäckvielfalt versorgten. Auf dem Land waren die Backhäuser zudem die gesellschaftlichen Treffpunkte der Dörfer. Diese neue Entwicklung in der Branche ist aber keineswegs rückwärtsgewandt, sondern ganz im Gegenteil zukunftsorientiert.


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