Leuchtende Gänseblümchen

Leuchtende Gänseblümchen

09.01.2021 | Christian Bremicker

Net gschempft, isch g‘lobt g‘nuag. Dieser schwäbische Grundsatz scheint in vielen Bäckereien der Republik zu gelten. Geschimpft wird schnell, gelobt nur selten. Aber wahrscheinlich gibt es viel öfter einen Grund sich aufzuregen, als wohlmeinende Worte zu verlieren. Manchmal kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass bei so manchem Mitarbeiter an der Straße des Verstandes nur wenige Blumen blü- hen. Dabei ist ein Lob an der richtigen Stelle ein sehr gutes Mittel zur Motivation. Wenn ich immer nur zu hören bekomme, was ich schon wieder falsch gemacht habe, verliere ich irgendwann die Lust daran, mich etwas mehr zu engagieren. Besonders, wenn es für gelungene Dinge bestenfalls kein Geschimpfe gibt. Vielleicht hat es sich noch nicht bis zum letzten Chef-Bäcker herum gesprochen, aber die intrinsische Motivation bewirkt um so viel mehr als die extrinsische. Sie sollte also von Innen und nicht nur von Außen kommen. Wer das Glück hatte, den ehemaligen Direktor der Bäckerfachschule in Olpe, Leo Trumm, darüber referieren zu hören, der wird nicht mehr vergessen, dass zum Beispiel eine gute Arbeitsatmosphäre die innere Motivation viel mehr fördert, als jede Gehaltserhöhung und jeder Bonus. Wenn wir mal ehrlich sind, dann erfordern viele Tätigkeiten in einer Bäckerei keinen Abschluss in Raketenphysik. Dennoch laufen viele Dinge nicht so, wie sie laufen könnten. Das liegt dann aber häufig nicht an der mangelnden Blütenpracht, von der ich zu Beginn sprach, sondern vielmehr an fehlender Motivation. Ein motivierter Angestellter versteht schneller, bedient freundlicher und wird das Beste aus sich herausholen. Und das alles kostenlos! Abgesehen vom Gehalt natürlich. Aber das Lob kostet nichts. Allenfalls etwas Überwindung, aber kein Geld. Trotzdem gibt es ein Aber: Das Lob muss glaubwürdig und angemessen sein. Wenn sie Ihre Verkäuferin über den grünen Klee loben, weil sie ein ganz normales Verkaufsgespräch einigermaßen un- fallfrei zu Ende gebracht hat, wird sie Sie bestenfalls irritiert anschauen. Im schlechteren Fall wird sie es als Sarkasmus verstehen und sich auf den Arm genommen fühlen. Deswegen ist es ratsam, nicht jede Alltäglichkeit mit euphorischem Applaus und einem „Su- per, toll gemacht!!!“ zu bedenken. Es gibt einen Unterschied zwischen loben und ermutigen. Ersteres nimmt nur das Ergebnis einer Tätigkeit in den Blick und wirkt kurzfristig. „Ein Zusatzverkauf? – Gut gemacht!“ Eine Ermutigung aber betrachtet den Weg zum Ziel. „Wie hast du es geschafft, diesem schwierigen Kunden das Stückchen Kuchen mehr zu verkaufen?“ Merken Sie was? Loben kann man auch den Hund, der das Stöckchen erfolgreich apportiert hat. Zum Ermutigen braucht es schon etwas mehr Aufmerksamkeit Ihrerseits. Ihnen muss also auffallen, wie gelungen gerade der schwierige Kunde bedient wurde. Die Aufmerksamkeit, die Sie Ihren Mitarbeitern entgegenbringen, ist die einzige Währung, mit der Sie nachhaltiges Engagement erwerben und selbst ein einzelnes Gänseblümchen zum Leuchten bringen können. Seien Sie ehrlich interessiert, schauen Sie hin! Vielleicht ein guter (nachträglicher) Vorsatz für das Jahr 2021.


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