Sprechende Apfelkuchen

Sprechende Apfelkuchen

25.01.2022 | Christian Bremicker

Stellen Sie sich Ihre neue, aufwendige, um nicht zu sagen bombastische Werbekampagne vor. Sie haben an alles gedacht: Plakate, Flyer und bunte Luftballons. Zusätzlich, weil Sie ja auch modern unterwegs sind, bespielen Sie die Social Media-Kanäle: Instagram, TikTok und Twitter. Es werden so viele Menschen auf Sie aufmerksam, wie sie es sich nie hätten träumen lassen. Ein kleiner Haken: Sie sind gesetzlich dazu verpflichtet, nicht nur für Ihre neue, atemberaubende Backware zu werben, sondern auch immer auf eine Alternative hinzuweisen. Auf eine Alternative, mit der Sie nichts zu tun haben – geschweige denn etwas verdienen könnten. Nach dem Motto: „Unsere Brötchen sind die besten, aber ein Apfel schmeckt auch ganz gut!“ Ja, richtig: ein Apfel. Kein Apfelkuchen. Und wenn Sie nun denken, so etwas gibt es nicht, so muss ich Sie enttäuschen. So etwas gibt es doch. In Frankreich ist es der Autoindustrie ab März genau vorgeschrieben, womit sie ihre Werbung ergänzen muss. Ein fiktives Beispiel: „Der neue Peugeot 3008 – Modernität neu interpretiert. Gehen Sie kurze Strecken zu Fuß oder fahren Sie mit dem Fahrrad.“ Der erste Teil kommt vom französischen Autobauer Peugeot, der zweite vom französischen Staat. Und ich bin mir ziemlich sicher, Sie erkennen, wo der erste Teil endet und der zweite beginnt. Paris hat genau definiert, welche Sätze demnächst bei der Autowerbung auftauchen müssen. Es könnte dort auch stehen „Nutzen Sie im Alltag öffentliche Verkehrsmittel“ oder „Ziehen Sie Sharing-Möglichkeiten in Betracht“. Okay. Wenn ich mich anstrenge, erkenne ich so etwas wie Sinn dahinter. Schließlich sollen sich die Menschen mehr bewegen und das Auto möglichst wenig nutzen, was zudem auch als umweltschädlich gilt. Wenn ich allerdings an die Wirksamkeit solcher Hinweise denke, scheint der Sinn, der irgendwo hinter‘m Horizont erkennbar werden könnte, eher Irrsinn zu sein. So habe ich auch den starken Verdacht, dass der zurückgehende Zigarettenkonsum weniger mit den abschreckend gemeinten Bildchen und Hinweisen zu tun hat als vielmehr mit den immer stärker steigenden Preisen für die Schachteln mit den Glimmstängeln. Ja, wir verkaufen keine Autos. Schon gar nicht in Frankreich. Wir backen Brot, Brötchen und Kuchen. Wenn wir für etwas werben, dann dafür. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das in Zukunft nicht auch erschwert werden könnte. Stichwort: Reduktionsstrategie. Das Bundesministerium für Ernährung versucht doch schon lange, die Anteile von Salz, Zucker und Fett in den Lebensmitteln zu reduzieren. Vielleicht kommt da noch einer auf die Idee, dass wir, wenn wir für den Apfelkuchen werben, auch auf den puren Apfel hinweisen müssen. Ist ja schließlich gesünder. Sollte ein solcher Einfall kommen, und er käme mit Sicherheit aus Brüssel, dann bliebe uns nur noch eins: Unser Apfelkuchen müsste für sich sprechen. Er müsste so gut sein, dass er keiner Werbung bedürfte. Ich bin zuversichtlich, dass wir das hinkriegen.


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