Vom Papst selbst gebacken

Vom Papst selbst gebacken

26.06.2023 | Christian Bremicker

Erinnern Sie sich noch an Thomas? Nein, nicht Thomas Müller, den Fußballer. Auch nicht unseren ehemaligen Bundesminister und kürzlichen Präsidenten des Kirchentages, Thomas de Maizière. Aber das Stichwort Kirchentag bringt mich schon recht nah an den gesuchten Thomas heran: den ungläubigen Thomas. Dieser war einer der zwölf Apostel und hatte aufgrund ungünstiger Umstände verpasst, wie Jesus seine elf Kollegen besucht hatte. Wohlgemerkt nach der Kreuzigung. Diese unglaubliche Geschichte konnte auch eben jener Thomas nicht glauben. Erst als der Totgeglaubte auch ihm erschien, begann er das Unmögliche in Betracht zu ziehen. Dafür musste er jedoch die Wundmale Jesu an den Händen und Füßen, die kurz zuvor einige massive Nägel dort hinterlassen hatten, selber sehen. Erst da glaubte auch der ungläubige Thomas an die Auferstehung Jesu. Heute gilt das auch noch. Was wir mit eigenen Augen sehen, daran können wir einfacher glauben. Sollten wir allerdings nicht. Haben Sie das Bild des Papstes im weißen Designermantel gesehen? Oder, um etwas von der religiösen Schiene wegzukommen, das Bild von Donald Trump, wie er von Polizisten niedergerissen wird? So schön die zweite Vorstellungen auch sein mag, so gefälscht sind leider beide. Der Papst hat kein solch modisches Statement gesetzt, und der 45. Präsident der Vereinigten Staaten ist zwar mehrfach angeklagt, aber immer noch auf freiem Fuß. Mit der Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) war es aber möglich, diese und viele weitere Fälschungen, also Fakes, zu schaffen, die täuschend echt aussehen. Ja, so etwas hat es schon immer gegeben. Von gefälschten Meisterwerken über die Hitler-Tagebücher des Sterns bis hin zu der garantiert echten Gucci-Handtasche, die man überraschend günstig an Strand erwerben konnte. Auch wenn es viele unterschiedliche Fakes gibt, so hatten sie bisher doch wenigstens eines gemeinsam: Es gehörte eine gewisse Fertigkeit dazu, eine Fälschung anzufertigen. Mal mehr, mal weniger. Das hat sich nun geändert. Sie müssen nicht mehr irgendetwas besonders gut können, es reicht im Grunde ein Internetanschluss und etwas Neugier. Mit entsprechenden Programmen, die alle frei verfügbar sind, kann jeder, ich bin versucht ‘Depp‘ zu sagen, Bilder erschaffen, die absolut nicht das zeigen, was ist oder war. Dazu reicht es einzutippen, was auf dem Bild zu sehen sein soll. Der Papst in Ihrer Backstube beim Rundwirken? Kein Problem. Oder Donald Trump, der bei Ihnen im weißen Schürzchen Brot verkauft? Bitte sehr: Eintippen reicht. Naja, manchmal kommt es noch zu kleinen Fehlern, aber das dürfte bald behoben sein. Neben eher witzigen Bildern sind aber auch gefährliche möglich. Wenn niemand mehr sagen kann, ob das Abgebildete echt ist oder nicht, verschwimmt die Wahrheit. Was ist noch wahr? Was kann ich glauben? Der ungläubige Thomas vertraute auf das, was er sah. Wir sollten heute vorsichtiger sein. Die Fragen, ob das Gezeigte wahrscheinlich ist und ob es noch weitere, ähnliche Bilder aus anderen Quellen gibt, können da helfen. Bevor die Wellen unserer Empörung hochschlagen, sollten wir immer einen Schritt zurücktreten und in Ruhe die Lage der Dinge einschätzen. Dazu bedarf es einer gewissen Souveränität, aber ich bin zuverlässig, dass wir das hinkriegen.


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