Was wirklich wichtig ist

Was wirklich wichtig ist

08.12.2021 | Christian Bremicker

Gerade jetzt vor Weihnachten ist es wieder so weit: Es wird stressig in der Backstube. Zu keiner anderen Zeit im Jahr ist so viel zu tun wie in der ach so besinnlichen Adventszeit. Dabei ist es nicht ausreichend, nur auf die vier Wochen vor Weihnachten zu schauen – der Stress beginnt schon früher: Stollenbacken spätestens im Oktober, nebenbei die ersten Plätzchen. Dann zwischendurch die kurze Weckmann-Saison im November und nebenbei die nächsten Plätzchen. Im Anschluss dann: noch viel mehr Plätzchen. Das ist richtig viel Arbeit, die zusätzlich zum üblichen Pensum geschafft werden muss. Und dann ist tatsächlich irgendwann Heilig Abend. Endlich 14 Uhr. Doch eigentlich ist man viel zu müde, um das Weihnachtsfest mit den Menschen zu genießen, die einem wirklich wichtig sind. Sei es die Familie, seien es Freunde. Klar, wir sind das so gewöhnt und wahrscheinlich empfinden das die meisten Kollegen als gar nicht so schlimm. Aber ich habe noch von keinem Bäcker gehört, der sich auf dem Sterbebett wünschte, noch eine weitere Sorte Weihnachtsplätzchen eingeführt zu haben. Vielmehr werden sich doch die meisten wünschen, mehr Zeit mit denen verbracht zu haben, die ihnen etwas bedeuteten. Zugegeben: Das ist starker Tobak, der nicht so recht in die fröhliche Weihnachtszeit passen will. Aber lassen Sie sich auf ein Gedankenexperiment mit mir ein: Stellen Sie sich vor, ich habe eine leere Blumenvase. Diese fülle ich bis oben hin mit Golfbällen und stelle Ihnen die Frage: „Ist die Vase voll?“ Ja, werden Sie sagen, sie ist voll. Nun nehme ich kleine Kieselsteine und schütte sie vorsichtig in die volle Vase. Ich bewege sie behutsam, sodass die Kiesel in die Räume zwischen den Bällen rutschen. Nun stelle ich die Frage wieder: „Ist die Vase voll“ und sie werden es wieder bejahen. Im Anschluss fülle ich feinsten Sand in die Vase und rüttle sie wieder vorsichtig. Zum Abschluss gieße ich zwei Dosen Bier hinein und frage nun zum letzten Mal, ob die Vase voll ist. „Jetzt ist sie tatsächlich voll“, werden Sie sagen. Damit haben Sie recht. Aber ich hätte nicht alles in der Vase unterbringen können, wenn ich mit dem Sand und den Kieseln begonnen hätte. Dieses bekannte Experiment ist ein Sinnbild des Lebens. Die Golfbälle stehen dabei für die absolut wichtigen Dinge. Familie, Partner, Kinder, Gesundheit und Freunde. Sie sind essenziell. Die Kiesel repräsentieren Dinge, die auch wichtig sind, die aber letztlich nicht in der ersten Reihe stehen. Arbeit, Haus, Auto, Urlaub. Und der Sand symbolisiert alle Kleinigkeiten, die noch so in unserem Leben vorkommen. Kümmern wir uns um diese zuerst, so bleibt in unserem Leben kein Platz mehr für die wirklich wichtigen Dinge. Wie sagte es mein Verleger Trond Patzphal einmal so schön: „Zeit ist nicht vermehrbar“ und damit hat er den entscheidenden Punkt erkannt. Deshalb: Tun Sie Ihre Arbeit – auch wenn es mal stressig ist. Aber vergessen Sie nicht, Ihren Partner zum Essen auszuführen, mit Ihren Kindern und vielleicht Enkeln zu spielen, Ihre Freunde zu treffen und auch medizinische Untersuchungen wahrzunehmen. Das Bier im Gedankenexperiment ist übrigens nicht symbolisch zu verstehen. Es soll uns nur daran erinnern, dass auch in einem vollen und stressigen Leben immer noch Zeit ist für ein, zwei Bierchen. In diesem Sinne, frohe Weihnachten.


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