Deindividualisierung

Deindividualisierung

16.07.2024 | Dirk Waclawek

Es ist noch gar nicht so lange her, da waren Kassen nützliche, aber weitgehend unspektakuläre Gegenstände. Heute sind viele Bäckereien ohne ihre Kassensysteme schlicht nicht mehr verkaufsfähig. Hier kommt alles zusammen, was im Betrieb eine Schnittstelle hat. Jetzt sind Bäcker bekanntlich ziemliche Individualisten. Fast nie passt eine Software direkt von der Stange, in der Regel wird noch immer eine kleine Anpassung hier und eine größere Optimierung dort vorgenommen. Konkret ergibt jede einzelne Änderung in aller Regel Sinn und der nötige Aufwand ist bei der Implementierung auch überschaubar. Allerdings steigern die Individualisierungen den Komplexitätsgrad im weiteren um ein vielfaches. Das merkt man, wenn eine neue Kasse angeschafft werden soll oder der Gesetzgeber sich wieder einmal eine kleine Schikane für das backende Handwerk ausgedacht hat, um auch noch die letzte hypothetische Schwarzgeldlücke zu schließen – an der Stelle wundern wir uns immer wieder über gastronomische Betriebe, die weiterhin nur Barzahlung akzeptieren dürfen, aber man muss ja nicht alles verstehen. Jedenfalls haben wir neulich in einer Gesprächsrunde erlebt, dass ein Großbetrieb bei der generalstabsmäßigen Neustrukturierung seiner EDV-Architektur großen Wert auf Deindividualisierung legte. Er verlangte ausschließlich nicht, dass ein System nur auf seinen Betrieb ausgelegt wurde. Ein anderer deutschlandweit bekannter Filialbetrieb hat gerade 750 individuell programmierte Kassen durch solche „von der Stange“ ersetzt und siehe da – es klappt auch. Vielleicht ist die Zeit gekommen, an Fragen der EDV mit einer ähnlichen Grundhaltung wie an die Breite des Sortiments heranzugehen: Weniger komplex ist oftmals schlauer.


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