Des Rabbis Katze

Des Rabbis Katze

10.04.2021 | Christian Bremicker

Ich mag kleine Anekdoten mit überraschender Wendung. Wie beispielsweise die von der Katze des Rabbis: Ein alter Rabbi hatte eine Katze, die ihm auf Schritt und Tritt folge. Weil er sie aber nicht mit in die Synagoge nehmen wollte, richtete er ihr vor der Tür ein gemütliches Plätzchen ein. Dort machte sie es sich bequem und wartete, bis er nach dem Gottesdienst wiederkam. So lief das über Jahre und auch die anderen Besucher streichelten im vorbeigehen die Katze. Irgendwann starb der Rabbi, aber seine Katze fand dennoch den Weg zu ihrem angestammten Platz. Nachdem auch die Katze das Zeitliche gesegnet hat, machte sich die Gemeinde daran, eine neue Katze zu besorgen, da das Streicheln derselben zum festen Ritual geworden war. Ich habe gedacht, dass es mir nicht passieren könnte, einen Ablauf nur um seiner selbst willen zu übernehmen. Und doch habe ich mich dabei vor kurzem in meiner Küche erwischt. Dort steht eine kleine weiße Keramikschale mit Holzdeckel. In ihrem Inneren bewahre ich die häufig karierten Brotklipse auf, mit denen die Tüten geschnittenen Brotes üblicherweise verschlossen werden. Diese Idee habe ich mir vor langer Zeit bei meiner Oma abgeschaut. Sie schnitt früher in unserer Backstube das Brot und bewahrte jeden Klip auf, um ihn später sinnvollerweise wiederverwenden zu können. Wir haben keine Bäckerei mehr und mein Bedarf an Brotklipsen hält sich in engen Grenzen. Dennoch habe ich sie gesammelt. Bis jetzt. Es kostete mich etwas Überwindung, aber inzwischen schaffe ich es, die Dinger fachgerecht zu entsorgen. Haben Sie auch eingeschliffene Rituale, die nur noch erfüllt werden, weil das immer so war? Denken Sie doch mal darüber nach – Sie finden bestimmt eines und können sich davon befreien.


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