Fünf magere Jahre

Fünf magere Jahre

17.01.2020 | Dirk Waclawek

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber wenn ich inzwischen etwas von „Trend“ lese, reagiere ich mit zunehmendem Misstrauen. Oft möchte der Schreiber nur, dass irgendetwas zum Trend wird und wenn er sich da mit einigen Gesinnungsgenossen einig ist – schwups, schon ist die große Welle kreiert. Oder der Bereich ist so klein, dass es zwar tatsächlich ein Wachstum gibt, allerdings auf so niedrigem Niveau, dass es für den Gesamtmarkt unerheblich ist. Bestes Beispiel sind hier die Lieferdienste, die ja alle auf einem Boommarkt agierten und dennoch reihenweise pleite gingen. Zurück zum ehrbaren Bäckerhandwerk: Vor Kurzem fragte uns ein Bäcker aus dem Ruhrgebiet nach unserer Einschätzung, ob sich die Einführung eines Biosortiments inzwischen lohnen würde. Ein Kollege war mit seinen Bioprodukten ganz erfolgreich und vielleicht war ja inzwischen auch im Pott die Zeit für die Ökobrote reif. Nun wissen wir, dass es – zumindest gefühlt – in Städten wie Berlin nur noch Biobäcker gibt. Dass Bio wachsender Trend ist, wird uns eh seit Künast eingehämmert. Scheint die Zeit also überreif für die Umstellung. Trotzdem haben wir vorsichtshalber einen Blick auf die Zahlen riskiert. Mysterium: So eindeutig sind die gar nicht. Im Jahr 2006 hatte die ZMP beispielsweise für Biobrot einen Umsatzanteil von 6,2 Prozent gemeldet. Die Zahl galt manchen Beobachtern sogar als zu niedrig. Auf der anderen Seite kommt man je nach Quelle heute auf einen Wert von vier bis fünf Prozent. Zertifizierte Biobäcker soll es schon vor 15 Jahren rund 1.200 gegeben haben, heute zählt eine andere Quelle nur noch gut 700. Einer AMI-Analyse auf Grundlage des GfK-Haushaltspanels zufolge ging schließlich der Umsatz mit Biobrot im Jahr 2018 in Deutschland um vier Prozent zurück. Nun kann es gut sein, dass die alten Zahlen sehr vom Wunschdenken getrieben waren und die Marktforschung inzwischen näher an der Realität ist. Einen Biobrot-Boom können wir aber beim besten Willen nicht erkennen. Fazit: All business is local. Würden wir eine Bäckerei in Berlin oder Hamburg eröffnen, könnte es auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten ein Biobetrieb sein. Im Ruhrgebiet bliebe es dagegen eine Überzeugungstat oder ein besonderes Konzept. Und eine Komplettumstellung einer bestehenden Bäckerei? Kürzlich erzählte uns ein erfolgreicher Biobäcker von den fünf harten Jahren, die auf die Umstellung folgten. Ohne Reserven auf dem Konto hätte sein Betrieb die Phase nicht überlebt.

Disclaimer: Nein, wir haben nichts gegen Biobäcker. Wir finden, dass viele aus einer sehr ehrenhaften Motivation handeln.


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