Irrweg zum Mehrweg

Irrweg zum Mehrweg

22.05.2023 | Philipp Lagoda

Die Mehrwegpflicht ist da, aber keinen interessiert’s. Bäcker investieren in mehr Umweltschutz, doch Kunden greifen weiterhin zu Wegwerfbechern. Die Wahl zu haben, ist offenbar zu wenig Anreiz. Der Bäcker-Innungsverband Niedersachsen/ Bremen hat seinen Mitgliedern ein paar Fragen gestellt. In Norddeutschland war man neugierig, wie Bäcker ihre Lage einschätzen. Neben Energiepreisen, Investitionen und Personalmangel ging es auch um die Mehrwegpflicht. 186 der 605 Innungsbetriebe im Bereich der Bäcker- und Konditorenvereinigung Nord machten mit. Fast ein Drittel, immerhin. Bei der Jahrestagung im April 2023 präsentierte die Landesbeauftragte für Öffentlichkeitsarbeit Babette van Lengerich die Ergebnisse. Beim Thema Kundenresonanz zu Mehrweg für Kaffee und Co. fiel die Bilanz vernichtend aus. Sie verdeutlicht: Die Politik hat es Verbrauchern im Kampf gegen Wegwerfbecher zu bequem gemacht. Mehr als 80 Prozent der Antworten schätzen die Kundenakzeptanz bei unter fünf Prozent ein. Das sind schlechte Nachrichten für alle Beteiligten: Bäcker investieren unter Zwang ins Leere, der Staat blamiert sich mit schwacher Gesetzgebung, und die Umwelt hat sowieso das Nachsehen. Nur der Schweinehund mehrwegfauler Verbraucher freut sich. Bäckern ist diesbezüglich kein Vorwurf zu machen. 78 Prozent der Befragten gaben an, Pfandbecher anzubieten. Verschiedene Mehrwegsysteme etablieren sich, und zu schlechteren Konditionen gegenüber Einweg dürfen Anbieter Kaffeebecher für den Wiedergebrauch ohnehin nicht anbieten. Die Betriebe haben die Vorgaben des Gesetzgebers erfüllt – es kümmert nur keinen. Befürworter der neuen Regelung könnten nun einwenden, dass selbst geringe Pfandwilligkeit bei Kunden ein Schritt in die richtige Richtung sei. Tatsächlich aber ist das Gesetz ein Schritt in Richtung größerer Verpackungsberge, vor allem in den Filialen. Während Hersteller die Bundesrepublik flächendeckend mit langlebigen To-go-Behältern fluten, greifen Kunden weiterhin zum Becher für die Tonne. Was tun? Van Lengerich forderte das Verschwinden von Einwegbechern vom Markt. Ein drastischer Vorschlag; es geht eleganter. Wie wäre es mit einer satten Umweltsteuer? Pappkameraden für Heißgetränke müssen so teuer geraten, dass Pfandbecher die attraktivere Alternative darstellen. Ausgelastete Mehrwegsysteme arbeiten infolge effizienter, was Bäckern nur recht sein kann. Ein Griff zum Becher für den Müll muss wehtun – und zwar dem Sünder, nicht der Umwelt oder Anbietern. Die beste Motivation finden Verbraucher nämlich immer noch im eigenen Geldbeutel.


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