Kalkulation ist das Nebelhorn

Kalkulation ist das Nebelhorn

27.04.2022 | Christian Bremicker

Das mit der Ladenpreis-Kalkulation von Backwaren ist so eine Sache. Nicht nur, dass es zig verschiedene Modelle gibt, die alle mehr oder weniger kompliziert und auch unterschiedlich genau sind. Unter dem Strich bleibt immer die Frage: Was fange ich mit dem kalkulierten Preis an? Ist das Resultat ein Preis, der weit unter dem üblichen Marktpreis liegt, so werde ich doch den Teufel tun und das Produkt zum kalkulierten Preis anbieten. Stattdessen freue ich mich heimlich, still und leise über die erhöhte Marge. Andererseits sollte ich aber ein Produkt umgehend aus meinem Sortiment nehmen, wenn ich laut Kalkulation mehr für mein Produkt verlangen müsste, als es der Markt hergibt. Das wäre konsequent. So ist der kalkulierte Preis nicht die einzige Grundlage der Preisfindung. Mit ihm kenne ich den Mindestpreis. Der Markt nennt mir den Höchstpreis, den ich verlangen kann. Es gilt, einen Wert zwischen diesen beiden Polen zu finden. Neudeutsch nennt sich das „Pricing“ und wird im Lebensmitteleinzelhandel und in der Industrie erfolgreich eingesetzt. Hierbei spielen eine Art gefühlter Preis und eine empfundene Wertigkeit wichtige Rollen. Der Volksmund sagt gerne: Was nichts kostet, ist auch nichts. Das fasst gut zusammen, worum es geht. Eine Schweizer Schokolade muss in der Vorstellung des Kunden teurer sein als eine Eigenmarke des Supermarktes. Ist dem nicht so, vermutet der Kunde wohl eher eine Verschlechterung der Rezeptur oder der Rohstoffe als einen Preis, der den so wichtigen Faktor Storytelling außer Acht lässt. Wie dem auch sei: Die wie auch immer geartete Kalkulation kann nicht mehr sein als ein Nebelhorn auf der komplizierten Reise zum Ladenpreis. Sie gibt Orientierung und bewahrt davor, zu kentern. Doch wie auf hoher See gehört beim Interpretieren des Nebelhorns „Kalkulation“ auch immer viel Erfahrung dazu. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen immer eine handbreit Wasser unterm Kiel.


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