Keine einfache Lösung

Keine einfache Lösung

25.04.2023 | Christian Bremicker

Und? Geht Ihr Kerzenvorrat auch so langsam zur Neige? Ich war zum Glück noch rechtzeitig bei einem großen blau-gelben Möbelhaus und habe mich dort mit Teelichtern eingedeckt. Nicht auszudenken, wie dunkel es bei mir wäre, jetzt, wo seit Mitte April alle Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet sind. Nein, ich möchte mich nicht darüber lustig machen, dass einige Mitbürger ihrer Sorge Ausdruck verleihen, wenn es um die Energiesicherheit geht. Ohne ausreichend Strom wäre im wahren Sinn des Wortes der Ofen aus. Ganz zu schweigen von den langsam auftauenden TK-Räumen oder der Ausrollmaschine, die recht schwer in Gang käme, wenn der nötige Strom erst per Hamsterrad erzeugt werden müsste. Ohne Strom ist Mist. Keine Frage. Und in der derzeitigen Situation, bestimmt von Krieg und Energiekrise, die verbliebenen Atomkraftwerke vom Netz zu nehmen, erscheint auf den ersten Blick wenigstens blauäugig. Auch der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks lässt keine Gelegenheit aus, den Weiterbetrieb der letzten drei AKW in Deutschland zu fordern. Zum einen ginge es um Energiesicherheit, zum anderen aber auch um die ach so klimafreundliche Art und Weise, wie Strom auf nuklearem Wege erzeugt werden könne. Nicht zu vergessen: Günstig sei dieser Strom obendrein! Wie sicher aber tatsächlich die nuklear gewonnene Energie ist, hat der letzte Sommer in Frankreich gezeigt. AKW müssen gekühlt werden, und das geschieht häufig über das Wasser von Flüssen. Allerdings nur, wenn der Fluss auch noch genügend Wasser führt. Ist das nicht der Fall, weil die große Hitze die mächtigen Flüsse zu kümmerlichen Rinnsalen hat schrumpfen lassen, bleibt nur die Abschaltung. Adé sicherer Atomstrom. Apropos Frankreich: Da werden ja sogar neue AKW gebaut! Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen – oder doch nicht? In den nächsten 15 Jahren müssen per Gesetz etliche der 56 Atommeiler in Frankreich, manche Experten sprechen von 40 (!), stillgelegt werden. Ansonsten droht eine Überschreitung der Laufzeit und damit stark steigende Sicherheitsrisiken. Ganze sechs neue Meiler sollen nun entstehen. Die sind aber noch nicht fertig, noch nicht einmal genehmigt. Zugegeben: Ein weiteres französisches AKW befindet sich schon im Bau. Seit über 15 Jahren. Ich bin kein Mathegenie, aber wenn 40 AKW wegfallen und dafür sechs oder sieben neue kommen (wenn überhaupt), dann würde ich meinen französischen Freunden empfehlen, schon jetzt ihren Kerzenvorrat aufzustocken. Ja, Deutschland musste zuletzt viele Kohlekraftwerke wieder ans Netz nehmen, um die Stromversorgung sicherstellen zu können. Diese Art Strom zu erzeugen ist weder zukunftssicher noch umweltschonend. Aber dabei soll es ja nicht bleiben. Es kann nur über regenerative Energieerzeugung gehen. Hauptsächlich Wind und Sonne. Dabei sind noch lange nicht alle Fragen geklärt. Vor allem, wenn es um die Speicherung geht. Aber auch der Atomstrom wirft die ein oder andere klitzekleine Frage auf (Stichwort: Atommüll). Wir müssen eine Lösung finden, und wir dürfen uns die Diskussion um die Stromversorgung nicht zu leicht machen. Wer auf komplexe Probleme scheinbar einfache Lösungen anbietet, erfüllt das Kennzeichen des Populismus. Ich bin zuversichtlich, dass wir darauf nicht hereinfallen werden.


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