Von den Geistern, die ich rief

Von den Geistern, die ich rief

20.09.2019 | Trond Patzphal

Der von mir sehr hoch geschätzte Kollege Bernd Kütscher, Bäckermeister und Direktor der Fachschule Weinheim, unterhält mit dem „ADB Forum, Austausch der Backprofis“ eine Facebook-Gruppe, die zur Zeit eine sehr interessante Diskussion zum Thema Meisterbrief führt. Und ich muss sagen, er schlägt sich tapfer! Gegen wen? Gegen Sebastian Marquardt, der ist wiederum Chefredakteur des Endverbrauchermagazins „Brot – Das Magazin“ und Geschäftsführer bei Wellhausen & Marquardt Medien. Und er ist der Meinung, dass die Welt alles braucht, nur keine Meisterpflicht für das Bäckerhandwerk! Damit hat er eine sehr intensive Diskussion innerhalb dieser Facebook-Gruppe losgetreten, die ich gerne um meine Meinung bereichern möchte. Unsere duale Ausbildung, Meisterkurse und Fachschulen, sind das Erfolgsmodell in Europa. Wir haben 2004 mit einer groß angelegten Unterschriften-Aktion dafür gekämpft, dass der Meisterzwang (also der „große Befähigungsnachweis“) im Bäcker- und Konditorenhandwerk erhalten geblieben ist. Danach wurde der Meisterzwang für 53 Gewerke abgeschafft, mit desaströsen Folgen. Für zwölf Gewerke soll die Meisterpflicht jetzt wieder eingeführt werden, zum Glück auch für die Fliesen- und Plattenleger! Es gibt sicherlich sehr befähigte Menschen, die privat backen können und ihre Fähigkeit beruflich ausüben wollen. Jene, die eine Berufsberatung brauchen und wissen wollen, wie sie sehr schnell mit guter Leistung zu einem Meisterbrief kommen können, können mich gerne anrufen, ich vermittle gerne für sehr befähigte Bäcker und Bäcker/innen (beziehungsweise jene, die es werden wollen) Lehrstellen und Meisterkurse! Ich halte auch die dafür zu investierenden vier Jahre für keine Zumutung! Wir haben in Deutschland die besten Bäckerfachschulen der Welt und haben ein sehr hohes Niveau in der Ausbildung! Es gibt in unserer Branche einen „Common Sense“ – übersetzt: gesunder Menschenverstand, und wer noch mehr darüber wissen möchte, dem sei Wikipedia anempfohlen – und was Sebastian Marquardt mit seinen Facebook-Einträgen vertritt, ist nicht Common Sense. Sehr geehrter Herr Marquardt, außerdem ist noch ein Kommentar zu einer Ihrer Facebook-Äußerungen fällig. Sie schreiben: „Artikel 5 des Grundgesetzes garantiert die Freiheit der Presse und damit verbieten sich alle Zugangsbeschränkungen.“ Dies ziehen Sie als Argument gegen die Meisterpflicht heran. Richtig ist, dass Artikel 5 des Grundgesetzes die Freiheit der Presse definiert. Falsch ist, dass man damit als Verleger alles publizieren darf, auch hier gibt es Grenzen, die in den jeweiligen Pressegesetzen der Länder bestimmt werden. Richtig ist bestimmt auch, dass man Verantwortung nicht in Meisterkursen lernt, meiner Meinung nach lernt man das im Leben. Und dass man Journalismus nicht gelernt haben muss, zeigen uns die Blogger und Influencer, aber ich darf Ihnen verraten: Es schadet auch nichts! Wir haben in den letzten 20 Jahren 40 Kollegen/innen zu Journalisten ausgebildet, diese hatten alle ein abgeschlossenes Studium, bevor sie zu uns gekommen sind, wie übrigens auch die meisten unserer Bäckermeister/innen, die bei uns ihr Volontariat zum Fachredakteur abgeschlossen haben. Wir sind in Deutschland im Übrigen seit 35 Jahren der einzige Verlag, der Bäckermeister/innen im Rahmen eines 24-monatigen Volontariats (mit Journalistenschule, Presserechtsfortbildung, Schulung et cetera) zu Fachredakteuren ausbildet. Publizisten – und Sie zählen sich ja zu dieser Gruppe – haben eine gesellschaftliche Verantwortung, und der haben Sie mit Ihrer Forderung mit der Abschaffung der Meisterpflicht einen Bärendienst erwiesen. Aber an dieser Stelle darf ich auch einmal wieder kritische Worte an den Zentralverband richten: Wer Enie van de Meiklokjes zur Brot-Botschafterin ernennt und statt Inhalten Kulisse auszeichnet, muss sich auch mal fragen lassen, warum solche Diskussionen überhaupt aufkommen können! Sicher ist es schick, der Craft-Beer-Bewegung nachzugehen, man muss ja kein Braumeister mehr sein, um zu mälzen und zu brauen, aber dieses ist der falsche Weg! Dass diese Diskussion jetzt über die Facebook-Seite des ADB Forums über uns hereinbricht, war wohl hervorsehbar, Bernd Kütscher hat hier gut argumentiert – Lieber Bernd, löschen ist hier keine Lösung, bitte mache die Einträge öffentlich! – aber auch dieser begabte Öffentlichkeitsarbeiter kann keine strategische Kommunikation des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks ersetzen!

Hintergrund: Was ist die Meisterpflicht im Handwerk – und warum gibt es sie? Marktzugangsbeschränkungen gibt es im Handwerk seit dem Mittelalter. Nachdem die Meisterpflicht im Laufe der Jahrhunderte mal aufgehoben und wieder eingeführt wurde, wurde sie in Deutschland 1935 als Voraussetzung zur Selbständigkeit im Handwerk wieder eingeführt. 1953 wurde das Gesetz zur Ordnung des Handwerks erlassen, nach dem grundsätzlich ein Meisterbrief zur selbständigen Ausübung des Handwerks verlangt wurde. Mit der Handwerksordnung von 1953 wurde gesetzlich festgeschrieben, dass nur die Meisterprüfung – der „große Befähigungsnachweis“ – dazu berechtigt, einen eigenen Handwerksbetrieb aufzumachen. Verfassungsrichter urteilten 1961, dass die Einschränkung der freien Berufswahl durch die Meisterpflicht nur zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsinteressen zulässig sei. Einige Lockerungen hat es nach und nach gegeben, die wichtigste 2004 als Teil der Schröderschen „Agenda 2010“: Unter dem Druck der steigenden Arbeitslosigkeit reduzierte die rot-grüne Bundesregierung die Zahl der meisterpflichtigen Handwerksberufe von 94 auf 41. Proteste und Gegenstimmen kamen damals etwa von den betroffenen Verbänden, CDU und CSU sowie der FDP.

 


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